Die Natur und die Stadt

Die Natur und die Stadt

Natur braucht Stadt: Biodiversität in 10 Stationen

Episode 35 (Staffel 2): Glühwürmchen - oder wie man die Artenvielfalt am Waldrand fördert. Mit Philipp Egloff, dem Co-Abteilungsleiter Forst der Burgergemeinde Bern, am Gurten bei Kehrsatz. Start: 28.11.2024

Natur braucht Stadt: Biodiversität in 10 Stationen

67 Prozent aller Tierarten, die in der Schweiz leben, und 45 Prozent aller einheimischen Pflanzen existieren auch in der Stadt. Wenn man bedenkt, dass die von der Landwirtschaft intensiv genutzen Flächen oft wenig biodivers sind, dann ist die Dichte an Wildtieren und -Pflanzen in der Stadt sogar höher als in vielen Landstrichen auf dem Land. Die Städte sind also besser als ihr Ruf, was deren Nutzen für die Biodiversität anbetrifft. Umso mehr Sinn macht es, diese Artenvielfalt zu bewahren, wenn nicht gar, zu erhöhen. Und eine weitere gute Nachricht: Jede/r Bewohner/in kann dazu beitragen und sei es mit nur einem Quadratmeter entsiegelter Fläche im Vorhof des Hauses oder im eigenen Garten, auf einem Stück Dachgrün oder einer Baumscheibe an einer öffentlichen Strasse. - Stadtgrün Bern hat im 2021 ein Aktionsjahr „Natur br(auch)t Stadt“ durchgeführt. Eine der Projektleiterinnen, Christine Föhr, hat dafür exemplarische Spaziergänge „ausgeschildert“, anhand derer man Station für Station etwas über die Biodiversität und die Unterstützungshilfen lernen kann: von der Wildhecke bis zum Nistkasten, vom Teich bis zum Obstgarten mitten in der Stadt. - Kommen Sie mit uns mit auf den beschaulichen Spaziergang, Hügel hinauf und Treppe hinab.

Eine Biberfamilie inmitten des Quartiers - kann das gut gehen?

Nach dem 2. Weltkrieg sah sich Aarau wie andere Städte in der Schweiz mit der Frage konfrontiert, wie es wachsen sollte. Bis damals und einige Jahrzehnte darüber hinaus hatte man eine Gartenstadt rund um den alten Stadtkern gebaut. Ab den 60er- und 70er-Jahren entschied man sich zu einem gewichtigen Ausbauschritt und baute über 20 Jahre verteilt am nordöstlichen Stadtrand vie langestreckte Zeilen mit insgesamt 1258 Wohnungen, zum Eigentum und zur Miete. Die Riegel sollten 19 Stockwerke bzw. bis zu 50 Meter hoch werden und mit seinen langgezogenen Linien die Juraketten aufnehmen. Heute leben dort rund 5000 Menschen, in einer Park-ähnlichen Umgebung und mit dem künstlich angelegten Sengelbach als Zufluss zur Aare. Niemand hätte gedacht, dass ausgerechnet dort eine Biberfamilien einziehen sollte. - Das klingt zwar romantisch, ist aber nicht ganz konfliktfrei. Der Fachspezialist Jagd und Fischerei des Kantons Aargau musst dort alle Register des Wildtiermanagement ziehen. Doch was umfasst das überhaupt?

Muss Unterwäsche kompostierbar sein?

Die Schweizer Qualitätsmarke Calida hat vor rund 4 Jahren begonnen, ihr Sortiment in Bezug auf seine Kreislauffähigkeit zu prüfen. Das ist alles andere als ein triviales Problem, denn vom Nähfaden, über das Textil selbst, das Elastband usw.  muss alles biologisch abbaubar sein. Seit nunmehr 30 Jahren gibt es das Zertifikat Cradle to Cradle (CtoC), des Deutschen Chemikers Braungart und des amerikanischen Architekten McDonough, das festlegt, wie die Bestandteile von Produkten sein müssen, die wieder einsetzbar sein sollen (Upcycling!). Der ehemalige Textilfachmann und CtoC-Spezialist Albin Kaelin hat Calida in den letzten Jahren bei der Entwicklung ihrer Innovationen unterstützt. Es ist ein spannendes Gespräch geworden, das weit über die Textilbranche hinausgeht. 
- Was genau sind die Prinzipien von CtoC?
- Warum darf es uns nicht egal sein, wie wir unseren Abfall entsorgen?
- Was macht die EU im Moment besser in diesem Bereich und wie belügt sich die Schweiz in dieser Hinsicht?
- Wie motiviert man Firmen, sich auf den Marathon Richtung Kreislaufwirtschaft einzulassen?
- Warum hilft Albin Kaelin einem neuen Projekt aus der Schweizer Modeinstrutrie, „Circular Clothing“?
Und wir beantworten natürlich auch die Frage: Muss Unterwäsche kompostierbar sein?

Zwei Podcasterinnen über Stadtökologie in Deutschland und der Schweiz

Die Sozialen Medien haben es möglich gemacht: Madlen Ziege und ihre Mitarbeiterin sind auf meinen Podcast aufmerksam geworden. Nach einer ersten Videokonferenz war klar: Wir müssen unbedingt eine gemeinsame Sendung machen. Madlen Ziege ist Biologin und Autorin des Buches „Kein Schweigen im Walde“. Ich war Journalistin und Dokumentarfilmerin, Dozentin und Designwisssenschaftlerin und bin heute Podcasterin. Zwei sehr unterschiedliche Karrieren also, die sich aber inhaltlich trotzdem beim Thema Stadtökologie und Biodiversität treffen. Und wir beide machen (trotzt und wegen Corona) Podcasts. Im Vergleich von Deutschland und der Schweiz gibt es Ähnlich-, aber auch Andersartigkeiten. So erzählt Madlen Ziege etwa über die Kaninchen in Frankfurt oder die Wildschweine in Berlin. Und ich erzähle von den Rehen auf dem Friedhof Hörnli in Basel oder den Bibern in den Schweizer Städten.  - Vergleiche helfen, die eigene Situation besser zu verstehen. Auch darum gab es rege Diskussionen, Besorgnis, und auch ein wenig Heiterkeit.

Die Schule für die Bäume der Zukunft

Basel ist eine der heissesten Städte der Deutschschweiz. Die Stadt liegt in einem Becken, umgeben von Hügeln, und der Rhein hat einen tiefen Graben ins Dreiländereck geschnitten. Dass es zunehmend heisser wird, ist für die Stadtgärtner*innen eine wohlbekannte Tatsache, auf die sie sich schon lange vorbereitet und für die sie verschiedene Strategien entwickelt haben. Da gibt es beispielsweise die Schulung der Bäume mittels entsprechender Techniken oder sie setzen auf eine möglichst grosse Vielfalt von Zukunftsbäumen, um damit für verschiedenste Risiken gerüstet zu sein. Basel war schon immer eine gute Adresse für sogenannte naturnahe Lösungen wie etwa Dachbegrünungen oder Naturschutzaktivitäten (mit der Rheinhalde gibt es dort das älteste Naturschutzgebiet der Schweiz). In dieser Episode erzählt Emanuel Trueb davon, warum das seiner Meinung nach so ist. Er spricht auch darüber, wie Bäume für ihre Zukunft in der Stadt vorbereitet werden. Eine Zukunft, die noch wärmer wird. Er redet auch über die Ökosystemleistungen, die Bäume für die Bewohnbarkeit der Städte erbringen und dass er sowohl eine Sehnsucht nach mehr Natur im kleinen Stadtkanton wahrnimmt wie auch eine Ungeduld… doch hier kein „Spoiler“. Hören Sie selbst.

Auf der Jagd nach invasiven Neophyten

Es ist nicht so lange her, da hatten einige Garten-Center die kanadische Goldrute noch im Sortiment. Auch den Kirschlorbeer oder den Sommerflieder findet man deswegen in vielen privaten Gärten. Bis zu einem gewissen Grad können die Stadtgärtner*innen diese Zierpflanzen, die zu den invasiven Neophyten gehören, im Schach halten. Nicht so, wenn sie in die freie Natur gelangen, auf Wiesen und in Wälder. Einmal dort angelangt vermehren sie sich schnell und müssen mühselig wieder entfernt werden, denn sie konkurrenzieren die einheimischen Pflanzen. Diese Arbeit ist so gross, dass viele Stadtgärtnereien heute die Unterstützung von Freiwilligen brauchen, um den Neophyten Herr und Herrin zu werden. Problem gelöst? - Mitnichten, denn auf der Jagd nach Neophyten begeben wir uns mitunter auch auf ein schwieriges Terrain. Sind alle Neophyten schlecht? Was machen wir mit einheimischen Pflanzen, die wegen der Überdüngung der Wälder wie wild spriessen? Wo ist die Kraft von Freiwilligen richtig eingesetzt? Wo nicht? Und was kostet das? Beispielsweise für grosse Unternehmen wie die SBB. In dieser Episode beleuchte ich nur einen kleinen Ausschnitt dieser Fragen. In der Episode 3 über die Dachbegrünungen war schon die Rede davon (siehe rechte Spalte). Ich werde wohl auch in Zukunft auf das Thema zurückkommen.

Mit dem Biber als Partner

In den USA, in ganz Europa und auch in der Schweiz war der Biber zu Beginn des 20. Jahrhunderts nahezu ausgerottet. In den 60er-Jahren wurden an verschiedenen Orten wieder einzelne Biberpaare ausgesetzt, teils mit gemischtem Erfolg. Seit 1962 ist der Biber durch das Jagdgesetz des Bundes geschützt, auch seine Bauten. Heute gibt es schätzungsweise wieder 4000 Biber in der Schweiz, auch fast in jeder Stadt. Aufmerksame Spaziergänger*innen können ihre Spuren auf den Wegen entlang von Aare, Reuss oder Rhein entdecken. Vereinzelt fällt er auch einen Baum in einem städtischen Garten ;). Doch was die meisten Leute nicht wissen, ist, dass der Biber ein unschätzbarer Partner bei der Regenerierung von Flüssen, Auenlandschaften und deren Ökosystemen ist. - Einer, der genau darüber Bescheid weiss, ist Christof Angst, der Leiter der Schweizer Biberfachstelle. Vor 15 Jahren war er oft mit den kantonalen Wildhütern unterwegs. Denn die Kantone sind verantwortlich, wenn ein Biber beispielsweise auf dem Land eines Bauern einen Schaden anrichtet. 2006 wusste man noch wenig, heute hingegen sehr viel über den Biber und wie man gut mit ihm umgehen kann. Mit Christof Angst schauen wir in dieser Episode in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft dieses grossen Landschaftsarchitekten.

Naturnahes Wohnen: noch nicht die Regel

Für einmal bin ich in die sogenannte Agglo gefahren, nach Horgen, unweit der Stadt Zürich. Am Meilibachweg steht mit fabelhaftem Blick auf den Zürichsee eine Siedlung der Pensionskasse der Migros, der MPK, die 2008 erbaut wurde. Am Meilibachweg wurde der Aussenraum auf der Grundlage eines Biodiversitätskonzepts der Stiftung Natur und Wirtschaft umgestaltet. Seither gibt es an den Hängen Blumenwiesen, Holzhaufen für die Überwinterung von Igeln, einheimische Hölzer anstatt Neophyten und eine ganz besondere Spezialität, ein Amphibienlaichteich. Denn dieser Streifen Land wird nicht nur von Menschen bewohnt, sondern liegt an einem Korridor für Amphibien hinunter zum See. - Klingt idyllisch? Ja, schon, aber leider gibt es noch viel zu wenige solche Projekte in der Schweiz. Viele, auch manche Baugenossenschafte wollen zwar mehr Biodiversität, doch nur wenige setzen sie in die Tat um. Und dies obwohl klar ist, dass viele Mieter und Mieterinnen gerne naturnah wohnen würden. Woran liegt das? Unter anderem dieser Frage, geht diese Episode nach.

Wildtiere in der Stadt und ihre Rechte

Wenn es um die Rechte von Tieren (in der Stadt) geht, dann ist es nicht ganz einfach, sich einen Überblick zu verschaffen. Um für die Schweiz ganz oben zu beginnen: In der Schweizer Bundesverfassung ist die "Würde der Kreatur" geschützt. Darunter ordnen sich eine ganz Reihe nationaler Gesetz-gebungen wie etwa das Tierschutz- oder das Hundegesetz. Ausserdem hat die Schweiz internationale Abkommen wie etwa zum internationalen Handel mit Tieren unterzeichnet. Wer aber in die Tiefen der Rechte (von Tieren) und die Pflichten (von Menschen ihnen gegenüber) eindringen möchte, wer rausfinden möchte, wo die Schweiz Defizite hat oder zumindest Baustellen, der fährt am besten, wenn er sich dafür eine Reiseführerin sucht. - Ich habe mich bei Christine Künzli, der Stiftung „Tier im Recht“ erkundigt und wir haben uns an einem symbolischen Ort verabredet: in einem Tierpark, in dem viele wilde importierte Tiere in Gehegen, Aquarien oder Käfigen leben, wo sich heimische Wildtiere wie Raben oder Eichhörnchen frei bewegen und Haustiere oft an der Leine ihrer BesitzerInnen spazieren geführt werden. Für jede dieser Kategorien gelten teilweise andere Gesetze und Verordnungen. Keine Bange… Christine Künzli ist eine ausgesprochen gute Reiseführerin!

Die Schweiz ist grün, vielleicht zu grün. Über Biodiversitätsstrategien

Während der Pandemie haben wir der Natur eine kleine Verschnaufpause verschafft - durch weniger Flüge oder mehr Bezug zu unserer unmittelbaren Umgebung. Aber in Bezug auf die Biodiversität ganz allgemein und damit eng verbunden den Klimawandel herrscht Alarmstufe Rot. Ende letzten Jahres kam gleich eine ganz Reihe von Berichten zu ähnlichen Schlüssen: der Schwund der Artenvielfalt ist international dramatisch, Zielkonflikte bei staatlichen Investitionen und Fehlanreize verschärfen das Probleme noch; die Lage ist nicht hoffnungslos, aber sie muss sofort und mit einem Blick für die gegenseitige Abhängigkeit von Mensch und Natur angegangen werden. Auch für die Schweiz gilt: Sie muss auf allen Ebenen - Bund, Kantone und Kommunen - aktiv werden. In dieser Episode unterhalte ich mich mit Daniela Pauli, der Geschäftsleiterin des Forums Biodiversität der Akademie der Naturwissenschaften der Schweiz und mit Sabine Tschäppler, der Leiterin der Fachstelle Natur und Ökologie in Bern. Pauli vertritt eher die nationale, Tschäppeler eher die kommunale Ebene. Beide erzählen uns: Was in der Schweiz zum Verlust der Biodiversität beiträgt? Warum diese für uns alle so wichtig ist? Oder: Wo Handlungsbedarf besteht.