Die Natur und die Stadt

Die Natur und die Stadt

Im Klostergarten Fahr - fast wie im Paradies

Episode 29 (Staffel 2): Kein Trinkwasser für die Bewässerung von Parks. Daniel Küry über verantwortungsbewusstes Wassermanagement im Basler Margarethenpark. Start: 15.08.2024

Im Klostergarten Fahr - fast wie im Paradies

Das Wissen der Naturheilkunde und die Weisheit der Pflanzenmedizin ist jahrhundertealt und wurde über viele Generationen von Kräuterheilkundigen, Bäuerinnen, Ärztinnen oder Pfarrer und Nonnen weitergereicht. Die Klöster waren prädestiniert dazu, dieses Wissen zu bewahren und in immer wieder neuen Kontexten wirksam einzusetzen. Im Fahr, nahe an der Limmat, steht seit 900 Jahren ein Frauenkloster der Benediktinerinnen, das unter anderem von 1944 bis 2013 junge Bäuerinnen ausgebildet hat. Der Kloster- oder Laudato-sì-Garten von Fahr ist in Form eines Kreuzes angelegt und von einer Mauer aus der Barockzeit umfriedet. Diese ist gerade so hoch, dass man einen Blick von diesem kleinen Paradies erhaschen kann, in dem in vier Quadraten in eine Mischung aus Gemüse, Heilkräutern und Blumen wachsen. Darunter befinden sich viele seltene Arten, deren Samen im Klosterladen verkauft werden. Wie mir Schwester Beatrice erzählt, die den Garten seit vielen Jahren pflegt, will sie hier ganz bewusst die Vielfalt der Pflanzenwelt feiern. Mit vielen Mittelchen und Tricks - wie etwa welche Pflanze liebt besonders die Nähe der anderen - geht sie mit Sorge um den Verlust der Artenvielfalt und gleichzeitig mit einem grossen Respekt und Liebe für die Schöpfung Gottes ans Werk. Der Garten gibt ihr Kraft, sagt sie mehrmals. - Mir wird im Gespräch mit ihr bewusst, dass es viele Zugänge zur Natur gibt und geben soll; derjenige über eine sozio-ökologische Spiritualität vereinigt Wissen und Staunen über die Wunder der Natur.

Stirbt die Natur zu leise?

In Bezug auf den Artenschutz verhält sich die Schweiz so, als spiele sie alleine auf einer grünen Wiese. Dem ist nicht so, denn sie hat im 1995 einen internationalen Staatsvertrag unterschrieben, die Convention on Biological Diversity (CBD). Diese Konvention stellt auf der Ebene der Biodiversität in etwa das Äquivalent zum Pariser Klimaabkommen dar. Die CBD verpflichtet die unterzeichnenden Staaten eine nationale Strategie und einen Aktionsplan für den Schutz der Artenvielfalt zu formulieren und umzusetzen. Bis Kurt Fluri, FDP, 2003 ins Parlament kam, geschah in dieser Hinsicht nichts. Erst nach seinem Parteien-übergreifenden Postulat 2004 kam der Ball langsam ins Rollen. 2012 wurde eine bundesrätliche Strategie verabschiedet und nochmals 5 Jahre später ein Aktionsplan zu deren Umsetzung. Für viele gingen beide Papiere zu wenig weit und ein Komitee mit Kurt Fluri lancierte eine Initiative zum Landschaftschutz und eine zur Biodiversität. Doch selbst der Gegenvorschlag des Bundesrats zur Biodiversitätsinitiative wurde abgeschmettert: Letztes Jahr stellte sich der Ständerat quer. Darum stimmt das Schweizer Volk im September 2024 über die Initiative (und nicht den Gegenvorschlag) ab. - Kurt Fluri war 20 Jahre im Nationalrat, er ist ein Zeitzeuge für das zähe Ringen um die Artenvielfalt im Parlament. Diese Episode handelt davon, weshalb sowohl Bundesrat wie Parlament den Artenschutz immer wieder hinauszögerten. Und dies bei steigender Dringlichkeit. Oder wie es Kurt Fluri fragen würde: „Stirbt die Natur zu leise?“ (Übrigens hatte Kurt Fluri bisher weitere politische Ämter inne wie: Legislative des Kantons: von April 1989 bis November 2003; Präsident der Kantonsratfraktion: von Juli 1999 bis November 2003; Exekutive der Gemeinde: Juni 1985 bis 2021, davon ab 1993 als Stadtpräsident. Und er ist Präsident der Stiftung Landschaftsschutz.)

Solawi - oder weshalb Gärtnern auch politisch sein kann

Solidarische Landwirtschaft, kurz Solawi, ist eine Form des Gärtnerns, mit der viele Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden. Besonders, wenn Solawi-Äcker in Städten betrieben werden: Garten- und Natur-unverbundene Menschen arbeiten mehrmals im Jahr dort im Kontakt mit ihren Pflanzen und ohne grosse Anfahrtswege; sie werden dabei von Profis unterstützt und lernen dazu; sie erhalten jede Woche einen x-tel des Ernteertrags; beim Gärtnern lernen sie andere Leute StadtbewohnerInnen kennen; sie leiden je nach Wetter mit ihrem Acker mit oder sind hocherfreut, wenn Ersteres mitgespielt hat… und diese Aufzählung ist nicht einmal abschliessend. Ich war mit Claudia Keller, einer Literatur- und Kulturwissenschaftlerin der Uni Zürich und Mitglied der Betriebsgruppe von "Pura Verdura" (so heisst diese spezifische Solawi-Gruppe) auf einem der Äcker, welcher gleich an ein weiteres Unikum, an den Quartierhof Wynegg anschliesst, an einen von QuartierbewohnerInnen betriebenen Bauernhof mitten in der Stadt. Claudia Keller beschreibt die Arbeit und ihre Erfahrung mit der Solawi und kommt dabei unter anderem zu Schluss, dass Gärtnern eine politische Dimension beinhaltet. Mit ihrem Wissen über Sprache, Sprachbilder und sogenannte Narrative erklärt sie auch, was es mit dem Begriff der Biodiversität auf sich hat und wie er auf der politischen Bühne, jetzt gerade wieder bei Abstimmungskämpfen gebraucht oder gekapert wird.

Ein Land der Kunst im Emmental

Im Zusammenhang mit dem Emmental tauchen unweigerlich Bilder von prächtigen Bauerhäusern auf, jene mit den weit hinuntergezogenen Dächern, die die Berner und Bernerinnen Schärme nennen. Ich denke an Dürrenmatt und ich sehe die Filme von Franz Schnyder vor mir wie Ueli der Knecht oder Anne Bäbi Jowäger, die auf den Romanen von Jeremias Gotthelf beruhen, dem Emmentaler Pfarrer und grossen Schweizer Schriftsteller. Genauso einen Bauernhof habe ich letzthin besucht, den Kulturbauernhof Wanner 433, der oberhalb von Zollbrück am Hang liegt. Auch dieser Bauernhof verbindet Kunst und Natur, Stadt und Land wie einst Gotthelf mit seinen Büchern. Die Hauptgebäude des Wanner 433 sind umgeben von Holzskulpturen und oberhalb steht eine alte Linde mit einem kleinen Schärme, einem Schopf mit Lagerungsraum. Diese Linde mit Namen Freya soll im kommenden Jahr eine ganz besondere Rolle erhalten. Sie und der Schärme werden einer der Standorte eines längeren Spazierweges werden, an dem Kunst und Natur gleichsam miteinander spielen. Das Konzept geht dabei weit über einen Skulpturen-Spaziergang hinaus. Es sollen neue Medien wie etwa ein Videostream oder die Künstliche Intelligenz einbezogen werden. Der Biobauer und Künstler Werner Neuhaus und der Kulturproduzent Samuel Schwarz wollen mit weiteren Partnern wie Christoph Ballmer vom Kulturmuseum Bern das Projekt „Freya - Land der Kunst“ ins Leben rufen. Eine Art Prototyp ist diesem Vorhaben bereits vorausgegangen, die Ausstellung „Wachstum“, die damals die interkulturelle Begegnung etwa mit Künstlern aus Mesopotamien grossschrieb. - Hier also ein Gespräch mit Werner Neuhaus und Samuel Schwarz über vergangene und zukünftige Veranstaltungen und Projekte.

Wild- und Heilkräuter in der Stadt

Wenn wir an Wildpflanzen denken, denken wir nicht in erster Linie an die Stadt. Vor meinem geistigen Auge tauchen Felder, Flussböschungen, Waldränder oder -lichtungen auf. Dort sind sie natürlich anzutreffen. Aber von Sarah Zehnder habe ich in dieser Episode gelernt, dass viele Wild- und Heilkräuter die Stadt als Lebensraum mögen. Vor allem jene städtischen Umgebungen, in denen die Stadtgärtnereien wenig bis keine Pestizide und künstlichen Düngemittel verwenden. Und Sarah sagt, dass jede Wildpflanze heilen kann. So stehen wir denn auch an einem schönen März-Nachmittag am Zürcher Platzspitz, umgeben von Bahnhof, Landesmuseum und (öffentlichem) Verkehr, und wählen ohne komplizierte Suche einen Ort aus. Auf Anhieb sieht Sarah Zehnder dort rund 5 essbare Wild- und Heilkräuter und eine Eibe, deren Gift in der richtigen Dosierung in der Krebstherapie eingesetzt werden kann. Es ist absolut faszinierend, von welchem Schatz wir umgeben sind. Viele Wildkräuter verfügen über 40 Prozent mehr Vitalstoffe als Salat. In dieser Episode geht es darum, wie wir diese Pflanzen sammeln, wie wir in Beziehung treten mit ihnen und wie wir sie handhaben. Denn Vorsicht, einige sind wie die Eibe giftig. Wie stets geht es auch um die Fragen, was wir Stadtbewohner:innen für die Wild- und Heilkräuter tun können.

Der schlaue und der scheue Fuchs

Über den Wolf sprechen wir in dieser Episode nur am Rande. Doch ziehen wir die Entwicklungen der letzten Monate in Betracht, so ist er das Gegenteil von erfolgreich. Da sieht die Bilanz eines anderen Hundeartigen, des Rotfuchses völlig anders aus. Zu Recht wird er in den Märchen als schlau beschrieben. Folgende kleine Geschichte mag dies gut illustrieren: Ausgerechnet im Tierpark Dählhölzli in Bern, wo andere Wildtiere in Freiluftgehegen oder Käfigen leben, hat ein Fuchs, völlig vogelfrei, meinen Weg gekreuzt. Wie ich später von einem Experten höre, sind zoologische Gärten für ihn ideal für die Futterbeschaffung. Clever, nicht? - Dass er vor allem nachtaktiv ist, zeugt ebenfalls von seiner Anpassungsfähigkeit. Stadtbewohner:innen bekommen ihn eher selten zu sehen. Trotzdem gibt es Konflikte zwischen Fuchs und Mensch… Welche, darüber berichtet in dieser Episode der Wildhüter Reto Hässig. Er erzählt auch, was den Fuchs so erfolgreich macht, und was wir tun sollten, damit der schlaue und scheue Fuchs bleiben kann, was er ist - nämlich wild.

Peitschenmoos, Gelbbauchunken, Fichten, Tannen, Lehm

Man kann den Wald aus vielen Blickwinkeln betrachten: Etwa aus der Perspektive seiner Widerstandsfähigkeit in Zeiten des Klimawandels, der Besitzverhältnisse, der Holzwirtschaft, der Artenvielfalt oder als Erholungsraum für Menschen. Eine der wichtigsten Perspektiven ist jedoch die Auseinandersetzung mit seinem spezifischen Standort. Von der Bodenqualität hängt nämlich auch ab, wie gesund ein Wald ist, wie viel Wasser sein Boden speichert, wie gut er das Grundwasser reinigt oder welche Waldgemeinschaften von Pflanzen, Tieren und Pilzen sich dort ansiedeln. In dieser Episode besuche ich mit dem ehemaligen Revierförster Markus Bürki, der die Wälder im Oberaargau Ost 38 Jahre lang betreut hat, einen hexen-artig verzauberten Wald. Bürki zeigt mir hohe Tannen und Fichten, wunderschöne Moos-bewachsene Böden mit wenig Licht und Tümpel für die Förderung der Gelbbauchunke. Er erzählt, was diesen Wald besonders macht, welchen Herausforderungen er sich gegenüber sieht und was die Förster:innen tun, um sich auf eine Zukunft mit höheren Temperaturen vorzubereiten.

Mit Pionier-Rebsorten für einen biologischen Weinbau

Der Weinbau in der Schweiz hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten für biologische Weine geöffnet. Wer sich mit ihnen etwas auskennt, hat die Vorurteile gegenüber Bioweinen hinter sich gelassen und mit Vorliebe lokalen Wein aus der eigenen Stadt oder Gemeinde ausprobiert. Denn sie überraschen mit originellen Aromen und mit ihnen können sich Winzer mit innovativen Weinen positionieren. Doch auch aus andern Gründen hat der biologische Weinbau viele Vorteile. Er belastet die Umwelt weniger. Wir reden hier nicht nur von den Reben selbst, die mit weniger giftigen Fungiziden behandelt werden müssen, sondern von den Ökosystemen der Weinberge insgesamt: die Insekten, die Vögel, Wildtiere wie Füchse oder Hasen, die Fauna auf dem Mittelstreifen usw. Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau FIBL in Frick im Aargau sammelt Erfahrung damit und forscht dazu. Dort experimentiert man mit PIWIs, mit Pilz-resistenten Rebstöcken, auch Pionier-Rebsorten genannt. Mit ihnen kann der Bedarf nach Fungiziden nochmals ein rechtes Stück reduziert werden. Neu kommen die KLIWI dazu, die Klima-resistente Rebsorten. Sie sind angesichts der vergangenen zwei Sommer dringend nötig. - Unser Gespräch zu Dritt ist eine interessante Einführung in die Herausforderungen des Schweizer Weinbaus.

Mit dem Holzbau Richtung Zukunft

Mein Interviewpartner Stefan Zöllig nennt früh im Gespräch eine Zahl: 9 Prozent des CO2-Ausstosses weltweit fällt bei der Produktion von Zement an. Viel zu viel. Unlängst schreibt dann noch das Online-Magazin *Republik*, dass in unseren Gebäuden 1.6 Milliarden Tonnen Material in Form von Beton, Metallen und Kunststoffen stecken und darin CO2 bzw. graue Energie. Diese wird frei, wenn wir Gebäude abreissen oder auch nur sanieren. Der Rohstoff Holz hingegen ist ohne grösseren Energieaufwand selbst gewachsen und hat derweil gratis und franko CO2 gespeichert. In Holzgebäuden substituiert er CO2-intensive Materialien wie Beton und Stahl und sequestriert damit CO2. Ausserdem können die Holzelemente eines Gebäudes im Fall einer Renovation wieder verwendet werden. - Der Holzbau ist eine wichtige Zukunftsbranche für die Schweiz und sie kann sich hier ohne allzu grosse Überregulierung entfalten. So etwa bei der Timbagroup, die fortlaufend Innovationen entwickelt hat, die es möglich machen, auch höhere Gebäude und selbst Keller völlig aus Holz zu bauen. Ein spannendes Gespräch mit einem Treiber dieser Branche, der in Thun in einem Mehrfamilienhaus aus Holz wohnt, das ganz ohne Heizung auskommt.

Die Ökologische Infrastruktur - unser Lebensnetz

Was wäre ein Land ohne seine Infrastrukturen: den öffentlichen Verkehr, das Telefon- und Strassennetz, seine Energieversorgung usw. Seit einigen Jahren wird international auch eine Ökologische Infrastruktur gefordert. Das sind Flächen, die die Biodiversität durch sogenannte Kern- und Vernetzungsgebiete nicht nur sicher stellen, sondern auch fördern sollen. Die Ökologische Infrastruktur ist recht eigentlich unser Lebensnetz. Laut dem Global Biodiversity Framework müssen bis 2030 30% der Land- und Wasserflächen unter Schutz gestellt werden. Dieses Framework hat auch die Schweiz im Dezember 2022 im kanadischen Montreal unterzeichnet. Doch die Schweiz ist weit entfernt, dieses Ziel zu erreichen. Warum ist das so? Welche Hindernisse müssten überwunden werden, damit wir unsere ökologische Infrastruktur, unser Netz, das auch die Menschheit am Leben erhält, ausbauen zu können. Über diese Fragen habe ich mit Franziska Wloka, Projektleiterin bei Birdlife Schweiz gesprochen. Wir haben uns dafür im Neeracherried, in einem Flachmoor von nationaler Bedeutung getroffen. In diesem Beispiel für eine ökologische Infrastruktur fliegen Blaumeisen und Eisvögel, bauen Biber Dämme, hat es unzählige Krickenten, Frösche oder Reiher. Ich lade Euch, liebe Hörer:innen zu Vogel- und Tierstimmen aus dem Moor und zum Gespräch mit Franziska Wloka ein.